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Die vierte Internationale Print Biennale in Yerevan

Im September 2023 fand die vierte Internationale Print Biennale in Yerevan Armenien statt. Es war wieder eine Biennale ohne Pandemie-Einschränkungen im Charles-­Aznavour-Center hoch über den Kaskaden mit einem beeindruckenden Blick auf die Stadt und auf den Berg Ararat.
Inzwischen ist die Print Biennale etabliert als eine feste Einrichtung für die künstlerische Druckgrafik. Gezeigt wurden 356 Arbeiten von 231 Künstlerinnen und Künstlern aus 53 Ländern. Vertreten waren alle klassischen Drucktechniken, neue Experimente bis zur digitalen Druckgrafik im kleinen, mittleren und ganz großen Format. Das wunderbare Team von KulturDialog organisierte einen perfekten Ablauf der Eröffnungsfeier, unterstützte die Preisjury bei ihrer Arbeit und sorgte für einen würdevolle Preisverleihung. Danach wurde ein mehrtägiges Künstlersymposium veranstaltet mit mehreren Workshops.
Nach vier Biennalen ist inzwischen die Anzahl der von den Künstlerinnen und Künstlern überlassenen Druckwerke so stark angewachsen, dass in einem kooperativen Projekt mit der UWC Dilijan College International School of Armenia ein dauerhaftes Archiv aufgebaut werden soll, das die ­Biennale als Institution vollendet.
Welche Bedeutung hat diese Print ­Biennale heute? In schwierigen Zeiten ist Kunst und Kultur ein Hoffnungsträger für eine bessere Verständigung unter den Menschen. Besonders Armenien und der Kaukasus sind Orte, die durch ihre lange Geschichte der verschiedensten Einflüsse und Ansichte dies vereinen können.
Die Print Biennale mit dem Symposium und Workshops bot den gekommenen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, ihre Ideen, Perspektiven und Techniken mit anderen Künstlerinnen und Künstlern und Interessierten auszutauschen. Dieser internationale Austausch förderte die Vielfalt sowie das Verständnis und ermöglichte es voneinander zu lernen.
Die Biennale ermöglichte ebenfalls die Bildung von Netzwerken über das Symposium hinaus. Künstlerinnen und Künstler hatten die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und gemeinsame Interessen zu teilen. Das Symposium bot allen einen Raum für Dialog und konstruktiver Kritik. Dadurch konnten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich persönlich weiterentwickeln und ihre Positionen im Kontext verstehen.
Ebenfalls durch die Print Biennale wurde sicherlich die Kunstszene in Armenien gestärkt. Das Bewusstsein für Kunst allgemein und die Wertschätzung für künstlerische Arbeiten vor Ort und darüber hinaus ist gewachsen.
Einen herzlichen Dank dafür gilt dem KulturDialog Team sowie den vielen Künstlerinnen und Künstlern, die zum Teil einen sehr langen Weg auf sich nahmen um in einem Vortrag sich und seinen künstlerischen Standpunkt zu präsentieren, und in Workshops seine Erfahrungen weiterzugeben. Dies habe ich als großes Geschenk wahrgenommen. Durch 21 Vorträge in drei Tagen wuchs das Verständnis untereinander schnell und es entstand eine Gemeinschaft von Künstlerinnen und Künstlern aus Belgien, Brasilien, Deutschland, Japan, Kroatien, Mexiko, Neuseeland, Österreich, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Schweiz und Slowenien. Man hörte sich zu und hatte Fragen an die anderen. Die Verbindung zwischen den Künstlerinnen und Künstlern förderte auch das zusätzliche Rahmenprogramm wie z.B. ein Besuch im Mesrop Mashtots Research Institute of Ancient Manuscripts (­Matenadaran) und der Besuch der UWC ­Dilijan College International School of ­Armenia am Ende des Symposiums. Alle Künstlerinnen und Künstler nahmen dadurch Kraft und Inspiration für ihre weitere Arbeit mit.
Welche Bedeutung hat die künstlerische Druckgrafik heute? Die traditionellen Techniken wie Radierung, Holz- und Linolschnitt, Lithografie und Siebdruck ermöglichen es den Künstlerinnen und Künstlern, Werke in kleiner Auflage zu erstellen. Dadurch können Sammlerinnen und Sammler sowie Kunstliebhaberinnen und Kunstliebhaber Originalkunstwerke zu erschwinglichen Preisen erwerben. Die Drucktechniken werben gerne als Ausgangspunkt genutzt, um experimentelle und innovative Ansätze in der Kunst zu erforschen. Außerdem können Künstlerinnen und Künstler durch Druckgrafiken ihre Standpunkte zu sozialen, politischen, kulturellen und ästhetischen Themen zum Ausdruck bringen und sie somit einem breiten Publikum zugänglich machen. Das Besondere der Print Biennale Yerevan ist es, dass sie nicht einschränkt in Format und Technik, d.h. sowohl große, mittlere und kleine Arbeiten werden eingereicht und digitale Druckgrafiken sind nicht ausgeschlossen. Klar ist auch, dass unter Experimentieren mit der digitalen Druckgrafiken mehr gemeint ist die einfache digitale Reproduktion einer künstlerischen Arbeit. Ein neuer Weg in die Zukunft der digitalen Drucktechnik zeigt sich sicherlich mehr in der Verbindung von traditioneller und digitaler Grafik, denn traditionelle Drucktechniken haben ihren Vorteil in der Haptik und der jeweils drucktechnisch typischen Texturen und Effekten auf Papier oder anderen Trägern. Eine Auflage der Druckgrafik ist einmalig begrenzt auf eine kleine Stückzahl. Jede Drucktechnik hat für die Künstlerinnen und die Künstler einen eigenen kreativen Prozess, der sich durch die Herstellungsverfahren und das Drucken auf unterschiedlichen Druckpressen ergibt. Im Idealfall sollte dabei die Größe, d.h. ob große oder kleine Grafik, keine Rolle spielen. Das alles konnten die Betrachterinnen und Betrachter selbst für sich bei den ausgestellten Werken der Print Biennale entdecken.
Mein Dank gilt den Förderern und Partnern, dem Organisationsteam und den engagierten Kolleginnen und Kollegen in der Preisjury, die diese Biennale ermöglichten. Ebenso danke ich den Künstlerinnen und Künstlern, die nach Yerevan gekommen waren, sowie den Teilnehmenden, Einsenderinnen und Einsendern von Druckgrafiken.

Laudatio

Der Auswahlprozess der Jury war geprägt von professionellen Diskussionen und guter Zusammenarbeit. Vielen Dank auch an alle Mitglieder der Print Biennale und ihre Unterstützung.
Ich habe die Ehre, die Laudatio für den diesjährigen Großen Preis zu halten. In der Beschreibung des Wettbewerbs wird folgendes Ziel genannt:
»Den Austausch und die Verschmelzung von traditionellen Techniken und aktuellen Ideen zu beobachten …« Ein Auswahlverfahren in mehreren Runden führte schließlich zu dem Werk »Night market« von Ichirow Tsubaki aus Japan.
Der Holzschnittdruck setzt die Technik des Reliefdrucks fort und öffnet die Oberfläche durch Schnitte, so dass eine zweite Papierschicht sichtbar wird. So entsteht eine Skulptur, die gleichzeitig eine malerische Wirkung entfaltet. Der Druck mag eine Reminiszenz an die Plakatwände in der Stadt mit ihren Zerstörungen und Schichten von Plakaten sein.
Sichtbar sind japanische Schriftzeichen, die wie Geschäfte auf einem Markt angeordnet sind. Am unteren Rand des Drucks befindet sich eine schmale dunkle Nachtfläche und am oberen Rand eine große weiße Fläche, die vielleicht das helle Licht der Lampen auf einem Nachtmarkt in Japan darstellt.
Es gibt so viele interessante Einsendungen für den Wettbewerb der Print Biennale. Wir danken allen Künstlern für ihre Werke! Mit der Auszeichnung des Holzschnitts »Night market« wollte die Jury Künstler zum Experimentieren ermutigen und Kunstliebhaber zu einem Dialog mit der zeitgenössischen Druckgrafik einladen.

Erstes Internationales Druckgrafik-­Symposium Armenien – Ein Zentrum der Druckgrafik in der Region

Dienstag, 12. September
13:00 Uhr Manfred Egger (Österreich): Zeitgenössischer Holzschnitt in Österreich
13:40 Uhr Vladimir Zuev (Russland): Zeitgenössische Grafik: Aktuelle Aspekte der internationalen Kommunikation
14:00 Uhr Graham Hall (Neuseeland): Die Geschichte der Druckgrafik in neuseeländischen Sekundarschulen von Schülerarbeiten bis zur nationalen Bewertung
14:20 Uhr Monika Iwan (Polen): Linolschnitt in Polen
15:00 Uhr Małgorzata Józefowicz (Polen): Wie ich als Druckgrafikerin arbeite und das Atelier für Druckgrafik an der Hochschule für Bildende Kunst in Suprasl
Mittwoch, 13. September
10:00 Uhr Yuichi Sawada (Japan): Lauschen Sie der Stimme der Kiefer
10:20 Uhr Żaneta Rzepa (Polen): Meine eigene künstlerische Entwicklung, Errungenschaften und Erfahrungen im Zusammenhang mit der grafischen Kunst, insbesondere der Tiefdrucktechnik
10:40 Uhr Thiago Modesto (Brasilien): Das Gleichgewicht zwischen Druckgrafik und Grafikdesign in meinem kreativen Prozess und ein kurzer Kontext über traditionelle brasilianische Holzschnitte und andere Künste
11:00 Uhr Maria Heed (Schweden): Wie und warum ich Künstlerin wurde
11:20 Uhr Nina Klimovskaya (Russland): Mezzotinto: Die Essenz der Technik
13:30 Uhr Alexey Kupreychenko (Russland): Die verschleierte Botschaft in der Grafik
13:50 Uhr Mario Matoković (Kroatien): Gesellschaftlich engagierte Druckgrafik
14:10 Uhr Vicky Gruyters (Belgien)
14:30 Uhr Stella Pfeiffer (Schweiz): Die Bedeutung des Druckens in meiner künstlerischen Arbeit
14:50 Uhr Meta Mežan (Slowenien): Druckgrafik als mächtiges Werkzeug zur Verteidigung der Rechte und positiven moralischen Werte gegen das neue Zeitalter des Neoliberalismus und seine Folgen
Donnerstag 14. September
10:30 Uhr Prof. Dr. Martin Ševčovič (Slowakei): Von klassischen grafischen Techniken zu experimentellen und alternativen Ansätzen in den grafischen Medien in der Slowakei
10:50 Uhr Dr. Víctor Manuel Hernández Castillo (Mexiko): Die Linolschnitt-Serie »Henchmen and Scavengers«. Die Mythografien des Alltags oder »Graphic Collective: Ziellose zeitgenössische druckgrafische Essays«
11:10 Uhr Daria Klimas (Russland): Lehre der druckgrafischen Techniken. Eigene Erfahrungen und aktuelle Situation in Moskau
11:30 Uhr Dagmar Reichel (Deutschland): Ein Blick auf die zeitgenössische experimentelle Druckgrafik
11.50 Uhr Daria Fetisova (Russland): Der unerwartet erhaltene Lithografiestein von David Sterenberg aus den Jahren 191–1922 und die Geschichte des Druckbildes ein Jahrhundert später
12.10 Uhr Marija Toskovic (Portugal): »Self-Landscape« und die Neudefinition der Projektion der inneren Identität
20:00 Uhr Treffen mit allen Teilnehmern des Symposiums im Kulturzentrum der ­Mirzoyan-Bibliothek

Vierte Internationale Print Biennale Yerevan 2023 Workshops

Samstag, 9. September
Henryk Krolikowski und Magda Szplit (Polen): Punkt-Linolschnitt
Sonntag, 10. September
Caroline Koenders (Niederlande): ­Mezzotinto
Dienstag, 12. September
Hamid Reza Bashiri (Iran)
Mittwoch, 13. September
Ana Vivoda (Kroatien): Das Buch als Kunstobjekt
Donnerstag, 14. September
Miriam Torralba Cortés (Mexiko): Drucke und Magazine
Prof. Frank-Joachim Grossmann (­Deutschland): Vortrag über Buchdruck und Workshop auf der Grundlage der ­armenischen Buchstaben
Freitag, 15. September
Prof. Frank-Joachim Grossmann (­Deutschland): Workshop auf der Grundlage der armenischen Buchstaben
Dank an Künstlerin Sophie Musoyan

Die armenische Schrift als nationales Kulturgut

Die armenische Schrift hat für die Armenierinnen und Armenier sowie für ihre Kultur eine ganz besondere Bedeutung. Zum einen lässt sich die Entwicklung des Alphabets auf eine reale Person zurückführen, zum anderen war die Schrift ein einigendes Element für Armenien als Kulturnation – unabhängig und einmalig von anderen Schriftsystemen. Durch dieses Alphabet konnte sich die armenisch-apostolische Kirche in den Konflikten zu islamischen Ländern abgrenzen.
Bis zum 5. Jahrhundert war das armenische Siedlungsgebiet im Westen unter römisch-byzantischen, im Osten unter persischen und im Süden unter syrischen Einfluß. Ein kultureller Austausch zwischen Armeniern und Angehörigen des aksumitischen Reiches am Horn von Afrika in Jerusalem sei wahrscheinlich.
Gleichzeitig bestanden schon im 4. Jahrhundert enge Beziehungen zwischen Armenien und Georgien. Die gemeinsame Auslegung der christlichen Lehre teilte sich erst nach dem Konzil von Chalcedon 451 n.Chr., deren Beschlüsse (»eine Person zwei Naturen in Christus als Gott und Mensch«) von der georgischen Kirche angenommen wurde und vom armenischen Katholikos abgelehnt wurde.
Die armenische Schrift in ihrer heutigen Form geht zurück auf den in der Provinz Taron geborenen Mesrop Mashtots (361 bis 440 n.Chr.). Er war Schriftführer am Hof des armenischen Königs, sprach Griechisch, Syrisch und Pahlevi. Er wirkte als Geistlicher, Prediger, Diplomat, Lehrer und Einsiedler.
Mesrop Mashtots bekam vom König Vramshapuh (389–414) und Katholikos Sahak Parthev den Auftrag zu prüfen, ob die Buchstaben des Bischofs Danielian für die armenische Sprache genutzt werden könnten. Er kam aber zum Schluß, daß diese Buchstaben ungeeignet seien für armenische Silbenbildung und Laute. Deshalb arbeitete er selbst an der Entwicklung eines eigenständigen Nationalalphabets mit 36 kalligrafischen Buchstaben phonetisch genau angepasst, wahrscheinlich von 403 bis 406 n.Chr. Mesrop Mashtots gründete danach Übersetzungsschulen, in denen Schriften des neuen Testaments, Kommentare, die Kirchengeschichte des Eusebio von Caesarea und philosophische, wissenschaftliche sowie belletristische Werke ins Armenische übersetzt wurden.
Diese älteste Form des armenischen Alphabets von Mesrop Mashtots, die bis zum 11. Jahrhundert gebraucht wurde, ist bekannt unter der Bezeichnung »Eisenschrift« (երկաթագիր, ausgesprochen »erkat’agir«). Es bestehen Ähnlichkeiten zwischen einigen armenischen Großbuchstaben und Buchstaben der griechischen Unzialschrift. Ebenso bestehen Beziehungen zur iranischen Pehlevi- und Avesta-Schrift. Die armenischen Kleinbuchstaben wurden im 11. Jahrhundert entwickelt. Die Buchstaben O (օ) und Feh (ֆ) sind erst im 13. Jahrhundert entstanden. Das O wurde benötigt wegen einer Lautverschiebung der armenischen Sprache von »av« zu »o«, das Feh (ֆ) wurde zur Schreibung von Lehnwörtern eingeführt.
1922 bis 1924 kam es in der damaligen Armenischen Sowjetrepublik zu zwei Rechtschreibreformen, die im heute unabhängigen Armenien nach wie vor gültig sind. Aus dem Alphabet strich man den 34. Buchstaben Wjun (ւ), an dessen Stelle nun das U (ու) als ein Buchstabe rückte. Weil das Wjun nun nicht mehr als selbstständiger Buchstabe existierte, wurde außerdem die sehr gebräuchliche Ligatur Jew (և) – bestehend aus kleinem Jetsch (ե) und Wjun (ւ) – dem Alphabet als 37., nunmehr eigenständiger Buchstabe hinzugefügt.
Die Westarmenier, insbesondere die armenische Diaspora in Europa und den USA, sowie die Ostarmenier im Iran haben diese Änderungen nicht übernommen.
Meshtots Schüler Koryune, der Georgier gewesen sein soll, schreibt in seiner Biografie über Mesrop Meshtots, er soll ebenso die ursprüngliche georgische Chuzuri-Schrift geschaffen haben. Als kirchliche Schrift hat sich Chuzuri bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Heute wird als Alltagsschrift die Mchedruli-Schrift aus dem 11. Jahrhundert genutzt.
Die georgische Khutsuri-Schrift schließt sich ganz dem griechischen Alphabet an, wobei die unbekannten georgische Lautzeichen anschließend an das Ende gestellt wurden. Dagegen ist die Reihenfolge des armenischen Alphabets ganz anders als im Griechischen, weil neugeschaffene Schriftzeichen mit armenischen Lauten in die Buchstabenordnung nach griechischen Muster eingeschoben wurden. Ein paar Regeln der armenischen Schrift lauten:
1. Es wird von links nach rechts gelesen.
2. Eigennamen, Wörter am Satzanfang und bestimmte Abkürzungen werden großgeschrieben.
3. Alle Vokale werden kurz ausgesprochen.
4. Jeder Buchstabe wird einzeln gelesen und ausgesprochen – auch Lautwandel, der aus einem einfachen Vokal eine Folge von zwei Vokalen werden lässt, z.B. in der deutschen Sprache ei, au, äu.
5. Die Betonung liegt in der Regel auf der letzten Silbe.
6. Zwischen aufeinanderfolgenden Konsonanten wird ein »Murmelvokal« (dumpfes e) gesprochen.
7. Folgen zwei gleiche Konsonanten aufeinander, werden beide mittels des »Murmelvokals« klar ausgesprochen.
Zahlen sind in Armenisch Zahlenreihen, die auf den armenischen Buchstaben beruhen. Es gab kein Zeichen für die Null. Die armenischen Zahlen wurden bis zur Übernahme der indisch-arabischen Ziffern allgemein verwendet. Heute werden sie gelegentlich noch benutzt, um Jahreszahlen oder Kapitelnummern anzugeben.
Zur Darstellung von Zahlen werden grundsätzlich nur Großbuchstaben verwendet, weil die Armenische Schrift anfangs keine kleinen Buchstaben enthielt. Die Zahlen Օ (10000) und Ֆ (20000) wurden erst im Mittelalter eingeführt, als die entsprechenden Buchstaben zum Alphabet hinzugefügt wurden.
Die traditionelle armenische Zeitrechnung beginnt am 11. Juli 552. Bis zum 11. Jahrhundert gab es als Interpunktion nur einen kleinen Strich über der letzten Silbe, der als Punkt, später Komma und Silbentrennzeichen diente. Heute werden weitere Interpunktionen geschrieben, wie z.B. storaket ստորակետ (Komma), harzakan nschan (Fragezeichen), harts’akan nshan Հարցական նշան (Ausrufzeichen), p’akagtserz Փակագծեր (Klammern) …
An dieser Stelle möchte ich noch einige wichtige Arten der armenischen Schrift erwähnen:
Mesropian klorats’vats yerkat’e tarratesak կլորացված երկաթե տառատեսակ, die mesropianische rundlinige Eisenschrift bis 10. Jahrhundert nach Chr.
Boloragir բոլոգիր, ein Schrift mit gerundeten Schriftbild zwischen 12. und 14. Jahrhundert, die man heute im modernen Buchdruck verwendet und
Gaghaparagir Գաղապարագիր, Ideogramme zu Astrologie, Alchemie, Medizin und Kalender (z.B. Sonne, Sterne, Mond, Welt, …) Ein wichtiger Aspekt für die moderne armenische Schriftkultur ist der einfache Zugang zum Computer und die dadurch weltweite digitale Verbreitung der armenischen Schrift.
Der Unicode-Standard, ein universell codierter Zeichensatz für digitale Endgeräte, belegt den Block 0530 bis 058F für alle Buchstaben des armenischen Alphabets sowie Satzzeichen.
Wenn man auf dem Computer die entsprechende Tastatureinstellung lädt (z.B. beim Mac unter »Tastatur« bei den Systemeinstellungen) und im Font der Unicode-Block mit den armenischen Zeichen belegt ist, dann können alle auf der Welt mit der armenischen Schrift schreiben. Man kann mit einem Programm zum Entwerfen digitaler Schriftarten (wie z.B. dem Open Source-Programm »FontForge«) einen Font mit armenischen Buchstaben gestalten.
Zwei Open Source-Projekte, die die armenische Sprache bereits aufgreifen, möchte ich hier vorstellen: Libertine Fonts und »Noto«. Noto ist eine Schriftsammlung von quelloffenen Schriftarten mit dem Ziel, alle im Unicode-Standard enthaltenen Schriftsysteme zu umfassen. Das Ziel des Projekts ist es, zwischen den verschiedenen Sprachen und ihren Schriftsystemen eine visuelle Harmonie der Schriftgestalt zu erreichen. Die Fonts werden im Auftrag von Google entwickelt und stehen unter der SIL Open Font License. Die Fonts werden gegenwärtig noch weiterentwickelt und sollen schrittweise Unicode 6.2 in seiner Gesamtheit abdecken.
Die Namensherkunft »»Noto« erklärt sich ganz einfach: Textzeichen eines HTML-Dokumentes werden durch ein Computer-Betriebssystem ersatzweise als kleine Kästchen dargestellt, wenn keiner der installierten Fonts die Zeichen unterstützt. Diese Zeichen nennen die Entwickler der Schriftfamilie »Tofu« wegen der Ähnlichkeit mit einem Tofuwürfel. Der Name »Noto« vermittelt Googles Ziel, im World Wide Web kein solches »Tofu« (»no more tofu«) mehr zu sehen.
2008 hat das armenische Ministerium für Kultur einen nationalen Wettbewerb für Schriftentwurf eingerichtet. Seit 2009 beteiligt sich die Typografische Gesellschaft München (tgm) an diesem Wettbewerb für nicht-lateinische Schriften. Auf Armenisch heißt das Wort für Schrift »Granshan« – die ursprüngliche Idee für den Granshan-Wettbewerb stammt von Edik Ghabuzyan, einem armenischen Schriftgestalter. Zusammen mit Boris Kochan in München ist er Vorsitzender des Schriftenwettbewerbs.
Armenien, ein Land mit 2,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, das so groß ist wie das Bundesland Brandenburg, ist bedroht von der weltpolitischen Lage. Die Schrift war in der Vergangenheit und ist heute immer noch ein wichtiges Kulturgut, um die Identität der Menschen in Armenien und in der Diaspora nach dem Genozid 1915 zu bewahren. Ein nationales Gedächtnis ist das Matenadaran (Mesrop Mashtots Research Institute of Ancient Manuscripts), ein Zentralarchiv in Yerevan, das 17.000 Handschriften und gedruckte Bücher in armenischer Sprache verwaltet. Seit 1997 ist es Teil des UNESCO Weltdokumentenerbes. Läuft man von der zentralen Straße in Yerevan auf das Museumsgebäude zu, so sieht man die steinerne Skulptur von Mesrop Maschtots und seinem Schüler Koryune. Im Gebäude sind viele einmalige Handschriften ausgestellt, die früher in der Bibliothek der armenisch-apostolischen Kirche in Etschmiadsin waren. Eine einmalige Sammlung gedruckter Bücher aus aller Welt sind hier zu besichtigen, so zum Beispiel auch das erste gedruckte Buch in armenischer Sprache aus der Werkstatt von Hakob Meghapart in Venedig 1512 (bereits 58 Jahre nach Gutenbergs erstem Bibeldruck), zu einem Zeitpunkt, als kein eigenständiges armenischen Reicht existierte.
Menschen in Armenien ehren ihre Schrift als verbindendes nationales Kulturgut so sehr, dass sie sogar am 12. Oktober einen Feiertag »Tag des Übersetzers« zu Ehren Mesrop Maschtots begehen.

Der Matenadaran

Մատենադարան, offiziell »The Mesrop Mashtots Institute of Ancient Manuscripts«, ist ein Museum, Aufbewahrungsort für Manuskripte und ein Forschungsinstitut in Yerevan, Armenien. Es ist die weltweit größte Sammlung armenischer Manuskripte. Es wurde 1959 auf der Grundlage der verstaatlichten Sammlung der armenischen Kirche gegründet, die sich zuvor in Etchmiadzin befand. Die Sammlung wurde seit ihrer Gründung schrittweise erweitert, hauptsächlich durch Schenkungen einzelner Personen. Das Museum ist eines der bekanntesten Wahrzeichen von Yerevan und wurde nach Mesrop Maschtots, dem Erfinder des armenischen Alphabets, benannt, dessen Statue vor dem Gebäude steht. Seine Sammlung wurde in das Register des Unesco-Programms Memory of the World aufgenommen.
Das Wort »matenadaran» ist eine Zusammensetzung aus matean (»Buch« oder »Pergament«) und daran (»Aufbewahrungsort«). Beide Wörter sind mittelpersischen Ursprungs. Obwohl es im Englischen manchmal mit »scriptorium« übersetzt wird, ist eine genauere Übersetzung »Aufbewahrungsort oder Bibliothek von Manuskripten«. Im mittelalterlichen Armenien wurde der Begriff matenadaran im Sinne einer Bibliothek verwendet, da alle Bücher Manuskripte waren.

Yerevan

Երևան ist die Hauptstadt und größte Stadt Armeniens sowie eine der ältesten kontinuierlich bewohnten Städte der Welt. Entlang des Flusses Hrazdan gelegen, ist Yerevan das administrative, kulturelle und industrielle Zentrum des Landes. Sie ist seit 1918 die Hauptstadt des Landes, die vierzehnte in der Geschichte Armeniens und die siebte, die in der Ararat-Ebene oder in deren Umgebung liegt. Die Stadt ist auch Sitz der päpstlichen Diözese Ararat, der größten Diözese der armenisch-apostolischen Kirche und einer der ältesten Diözesen der Welt.
Die Geschichte Yerevans geht auf das 8. Jahrhundert v. Chr. zurück, mit der Gründung der Festung Erebuni im Jahr 782 v. Chr. durch König Argischti I. von Urartu am westlichen Ende der Ararat-Ebene. Erebuni war »als großes administratives und religiöses Zentrum, als vollwertige königliche Hauptstadt konzipiert«. In der Spätzeit des antiken armenischen Königreichs wurden neue Hauptstädte gegründet, und Yerevan verlor immer mehr an Bedeutung. Die Stadt wurde durch den Großen Surgun von 1603–05, als das Safawidenreich die Armenier gewaltsam in den Iran deportierte, weitgehend entvölkert. Im Jahr 1679 wurde die Stadt durch ein Erdbeben größtenteils zerstört und anschließend in kleinerem Maßstab wiederaufgebaut.
1828 wurde Yerevan Teil des Russischen Reiches, was zur Repatriierung der Armenier führte, deren Vorfahren im 17. Jahrhundert zwangsumgesiedelt worden waren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Yerevan zur Hauptstadt der Ersten Republik Armenien, als Tausende von Überlebenden des armenischen Völkermords im Osmanischen Reich in die Region kamen. Im 20. Jahrhundert, als Armenien noch Teil der Sowjetunion war, wuchs die Stadt rasch. Innerhalb weniger Jahrzehnte wandelte sich Yerevan von einer Provinzstadt innerhalb des Russischen Reiches zum wichtigsten kulturellen, künstlerischen und industriellen Zentrum Armeniens und wurde zum Sitz der nationalen Regierung.

Sergei Parajanow Museum

Sergej Parajanow (1924–1990) war ein armenischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Parajanov wird von Filmkritikern, Filmhistorikern und Filmemachern als einer der größten und einflussreichsten Filmemacher der Filmgeschichte angesehen. Parajanov erfand seinen eigenen Filmstil, der nicht mit den Leitprinzipien des sozialistischen Realismus in der UdSSR übereinstimmte. Dies sowie sein Lebensstil und sein Verhalten führten dazu, dass die sowjetischen Behörden ihn wiederholt verfolgten, inhaftierten und seine Filme unterdrückten. Trotzdem wurde Parajanov vom Internationalen Filmfestival Rotterdam zu einem der 20 Filmregisseure der Zukunft ernannt, und seine Filme wurden zu den größten Filmen aller Zeiten gezählt.
Sein berühmtester Film »Die Farbe der Granatäpfel« ist ein sowjetisch-armenischer Kunstfilm aus dem Jahr 1969, bei dem er Regie führte und das Drehbuch schrieb. Es handelt sich um eine Biografie des armenischen Aschug Sayat-Nova (König des Gesangs), die versucht, das Leben des Dichters visuell und poetisch statt wörtlich darzustellen. Der Film präsentiert das Leben des Dichters in Kapiteln: Kindheit, Jugend, Fürstenhof (wo er sich in eine Zarin verliebt), Das Kloster, Der Traum, Das Alter, Der Todesengel und Der Tod.
Es gibt Geräusche und Musik und gelegentlich Gesang, aber Dialoge sind selten. Jedes Kapitel wird am Anfang durch ein Titel angezeigt.
Parajanovs Film zelebriert das Überleben der armenischen Kultur angesichts von Unterdrückung und Verfolgung. »Es gibt bestimmte Bilder, die stark aufgeladen sind – blutroter Saft, der aus einem aufgeschnittenen Granatapfel auf ein Tuch tropft und einen Fleck in Form der Grenzen des alten Königreichs Armenien bildet, und Färber, die Wollfäden in den Farben der Nationalflagge aus den Bottichen heben.
Parajanov sagte, er habe sich von der armenischen Miniaturmalerei inspirieren lassen und wollte »diese innere Dynamik schaffen, die aus dem Inneren des Bildes, den Formen und der Dramaturgie der Farben kommt«. Er beschrieb diesen Film auch als eine Serie persischer Miniaturen.

Geghard Kloster

Գեղարդ (bedeutet »Speer«) ist ein mittelalterliches Kloster in der armenischen Provinz Kotayk, das teilweise in den angrenzenden Berg gehauen wurde und von Felsen umgeben ist. Es gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und steht nun unter verstärktem Schutz.
Während die Hauptkapelle im Jahr 1215 erbaut wurde, wurde der Klosterkomplex im 4. Jahrhundert von Gregor dem Erleuchter an der Stelle einer heiligen Quelle in einer Höhle gegründet. Das Kloster trug daher ursprünglich den Namen Ayrivank (Այրիվանք), was »das Kloster der Höhle« bedeutet. Der heute gebräuchliche Name des Klosters, Geghard oder genauer Geghardavank (Գեղարդավանք), was »Kloster des Speers« bedeutet, geht auf den Speer zurück, der Jesus bei der Kreuzigung verwundet hatte und der angeblich vom Apostel Jude, hier Thaddäus genannt, nach Armenien gebracht und neben vielen anderen Reliquien aufbewahrt wurde. Heute befindet sie sich in der Schatzkammer von Etschmiadzin.
Die spektakulären, hoch aufragenden Klippen, die das Kloster umgeben, sind Teil der Schlucht des Azat-Flusses und gehören zusammen mit dem Kloster zum Weltkulturerbe. Einige der Kirchen innerhalb des Klosterkomplexes sind vollständig in die Felsen gegraben, andere sind kaum mehr als Höhlen, wieder andere sind aufwendige Strukturen mit architektonisch komplexen Mauerabschnitten und Räumen tief im Inneren der Felsen. Die Kombination mit den zahlreichen eingravierten und freistehenden Khachkars ist ein einzigartiger Anblick.

UWC Dilijan College

UWC ist eine Gemeinschaft, die sich für eine friedlichere, gerechtere und nachhaltigere Welt einsetzt, und zwar durch eine ausgewogene, herausfordernde und transformierende Bildung für Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund. Die Mission der UWC-Bewegung und der Schule ist es, »Bildung zu einer Kraft zu machen, die Menschen, Nationen und Kulturen für Frieden und eine nachhaltige Zukunft vereint«.
Das UWC Dilijan College ist das 14. Mitglied der United World Colleges-Bewegung, eines von achtzehn Colleges auf der ganzen Welt und das erste internationale Internat in Armenien. Das College hat im September 2014 seine ersten Schüler immatrikuliert. Der Lehrplan des UWC Dilijan College basiert auf dem International Baccalaureate (IB Diploma Programm).
Das College ist bestrebt, ein integraler Bestandteil von Dilidschan Armenien zu sein und einen positiven persönlichen, lokalen und globalen Einfluss auszuüben.

Armenien

Hayastan Հայաստան oder offiziell die Republik Armenien, ist ein Binnenstaat im armenischen Hochland. Das Land gehört geografisch zu Westasien, wird aber kulturell und geopolitisch als Teil Osteuropas betrachtet. Es gehört zur Kaukasusregion und grenzt im Westen an die Türkei, im Norden an Georgien, im Osten an Aserbaidschan und im Süden an den Iran und die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan. Yerevan ist die Hauptstadt, die größte Stadt und das Finanzzentrum.
Armenien ist ein einheitlicher, demokratischer Mehrparteienstaat mit einem uralten kulturellen Erbe. Der erste armenische Staat Urartu wurde 860 v. Chr. gegründet und im 6. Jahrhundert v. Chr. durch die Provinz von Armenien ersetzt. Das Königreich Armenien erreichte seine Blütezeit unter Tigranes dem Großen im 1. Jahrhundert v. Chr. und wurde im Jahr 301 der erste Staat der Welt, der das Christentum als offizielle Religion annahm. Armenien erkennt noch heute die Armenische Apostolische Kirche, die älteste Nationalkirche der Welt, als wichtigste religiöse Einrichtung des Landes an. Das alte armenische Königreich wurde um das frühe 5. Jahrhundert zwischen dem byzantinischen und dem sasanidischen Reich aufgeteilt. Unter der Bagratuni-Dynastie wurde das Bagratiden-Königreich von Armenien im 9. Jahrhundert wiederhergestellt, bevor es 1045 unterging. Kilikisch-Armenien, ein armenisches Fürstentum und späteres Königreich, befand sich zwischen dem 11. und 14. Jahrundert an der Mittelmeerküste.
Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert geriet das traditionelle armenische Heimatland, das aus Ost- und Westarmenien bestand, unter die Herrschaft des Osmanischen und des Persischen Reiches, die im Laufe der Jahrhunderte wiederholt von einem der beiden Reiche regiert wurden. Im 19. Jahrhundert wurde Ostarmenien vom Russischen Reich erobert, während der größte Teil der westlichen Teile der traditionellen armenischen Heimat unter osmanischer Herrschaft blieb. Während des Ersten Weltkriegs wurden 1,5 Millionen Armenier, die in ihren angestammten Gebieten im Osmanischen Reich lebten, im Rahmen des Völkermords an den Armeniern systematisch ausgerottet. Im Anschluss an die Russische Revolution erklärten 1918 alle nicht-russischen Länder ihre Unabhängigkeit, nachdem das Russische Reich aufgehört hatte zu existieren, was zur Gründung der Ersten Republik Armenien führte. Bis 1920 wurde der Staat in die Sowjetunion eingegliedert. Die moderne Republik Armenien wurde 1991 im Zuge der Auflösung der Sowjetunion unabhängig.

Der Berg-Karabach-Konflikt

Bereits vor unserem Flug nach Armenien hatten wir immer wieder die Nachrichten über den Zweiten Nagorno-Karabakh Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan beobachtet. Aserbaidschan hatte mit Hilfe der Türkei das Gebiet, das mehrheitlich von Armeniern bewohnt war, im November 2020 zurückerobert und unter der Vermittlung Russlands einen Waffenstillstand zugestimmt. Im Dezember 2022 eskalierte der Konflikt erneut und das azerbaijanische Militär initiierte eine Blockade des Latschin-Korridors zur armenischen Republik Artsakh.
Der Kaukasus ist eine Region mit unterschiedlichsten Bevölkerungen und Geschichte, dadurch sind Konflikte ein ständiges Thema. Beteiligte Länder daran sind die kleinen Länder Armenien und Georgien mit christlichen Glauben, Russland als Grossmacht und die moslemischen Länder Aserbaidschan, Türkei und Iran. »Der aktuelle Konflikt um die Region Berg-Karabach (russisch), auch bekannt als Artsakh (armenisch), ist ein ethnisch-territorialer Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Während die Ursprünge des Streits um die Bergregion bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen, eskalierten die Kämpfe nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zum Krieg.« (Vera Rogova und Tengiz ­Dalalishvili, Internetredaktion der Landeszentrale für politische Bildung BW 2023).
Auf der Eröffnungszeremonie der Print Biennale am 8. September war der Konflikt um Berg-Karabach und die Ängste um die Menschen vor Ort spürbar. Man befürchtete, daß das azerbaijanische Militär mehr besetzt und eine Verbindung zu Enklave Nakhchivan schaffen wolle um somit auch eine direkte Verbindung von Gas- und Ölleitung in die Türkei zu schaffen. In dieser Situation waren in die Gesprächspartner dankbar, dass die iranische Regierung vor einem solchen Vorhaben warnte. Zwar waren zur gleichen Zeit Militärübungen von armenischen und US-amerikanischen Truppen im Land, aber allgemein fühlte man sich von den europäischen Ländern nicht ausreichend unterstützt. Ebenso die bisherige Schutzmacht Russland half nicht.
Zur Zeit der Print Biennale startete schließlich das azerbaijanische Militär eine weitere Offensive vom 19. bis 20. September, in dessen Folge die armenische Bevölkerung flüchten musste und ungefähr 120.000 Menschen in Armenien neuen Wohnraum und Arbeit suchten. Die bisherige armenische Republik Artsakh auf dem Gebiet Berg-­Karabach zum 1. Januar 2024 aufgelöst. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht.
Natürlich beeinflussten uns diese Ereignisse. Zwar sahen wir keine Flüchtlinge in oder Stadt, hörten nur von Demonstrationen auf dem Platz der Republik, aber die Angst und Trauer um die Ereignisse waren für uns in Gesprächen deutlich spürbar. Das Symposium und die Workshops fanden in diesem Umfeld statt, und gleichzeitig war das Zusammenkommen von internationalen KünstlerInnen eine Hoffnung.
Bei meinem ersten Besuch in Armenien 2017 hatte ich das Armenian ­Genocide Memorial Complex (Tsitsernakaberd Ծիծեռնակաբերդ) besichtigt und südlich von Yerevan beim Chor Virap Monastery die ausgebauten Grenzanlagen zur Türkei gesehen. Von hier aus schaut man auf den Berg Ararat in der Türkei, den heiligen Berg für die Armenische Apostolische Kirche. Wenn man dies sieht, versteht man, dass der Kaukasus ein Ort ist von vielen Konflikten aus der Geschichte heraus ist, und es heute keine einfachen Lösungen für die zahlreichen unterschiedlichen Interessen gibt.

Nachwort

Im Herbst 2017 fand die erste Internationale Print Biennale in Yerevan Armenien statt. Als ich davon erfahren habe, war ich sofort motiviert, mich mit Druckgrafiken für diese Biennale zu bewerben.
Meine Verbindung zum Kaukasus begann 2007, als ich im Rahmen eines akademischen Austauschs mit der Kunstakademie Tiflis die Möglichkeit hatte, die Region kennen zu lernen. Während meines Aufenthalts traf ich Menschen, die mit mir ihre Erfahrungen nach der Unabhängigkeit Georgiens 1990 teilten. Nur ein Jahr nach meinem Besuch eskalierte die Situation und der Krieg zwischen Georgien und Russland im Jahr 2008 bedrohte beinahe die wiedererlangte Unabhängigkeit Georgiens.
Es war eine Freude für mich, dass meine Druckgrafiken für die erste Print Biennale 2017 ausgewählt wurden. Zur Eröffnung der Print Biennale konnte ich über Tiflis nach Yerevan reisen. Die Fahrt nach Yerevan und die Eröffnung der Biennale waren ein Erlebnis. Die Organisatorinnen und Organisatoren hatten eine wichtige Veranstaltung für das Land und die Region geschaffen. Ebenso 2019 und 2021 beteiligte ich mich mit Druckgrafiken an der Biennale. Die Arbeiten blieben jeweils als Schenkungen vor Ort. 2022 kam schließlich aus Yerevan die Anfrage an mich, ob ich bereit wäre, als Jurymitglied mitzuwirken. Nach kurzem Zögern war ich schließlich bereit, meinen Beitrag zum Gelingen der Biennale zu leisten. Juryarbeit kannte ich, aber der Aufwand dafür war doch mehr, als ich dachte. Neben der ersten Vorauswahl online kam schließlich noch die Anfrage an mich, ob ich einen Workshop entwickeln und einen Vortrag beim Symposium halten könnte.
Als Thema wünschte man sich von mir einen Vortrag über »Letterpress« (Buchdruck), da es in Armenien wenig künstlerische Tradition dazu gab. Der Vortrag gestaltete sich kompliziert, da einige Fachbegriffe des Buchdrucks in die englische Sprache übersetzt werden mussten. Sehr geholfen hat mir dabei ein hilfreicher Hinweis auf Fachwörterbücher in Deutsch-Englisch zum Thema Druck. Ebenfalls herausfordernd war der Workshop, da alles so geplant werden musste, dass es mit der Infrastruktur vor Ort verwirklicht werden konnte. Dies war nur mit einer Materialsendung nach Armenien möglich.
Für die Print Biennale plante ich einen fast zweiwöchigen Aufenthalt in Yerevan und dem Kaukasus-Gebiet. Ich wollte diese Zeit in einer Buchform dokumentieren und erhielt schließlich eine ermutigende Unterstützung von der Kulturstiftung Speyer und Prof. Dr. Eichhorn.
Meine Absicht war es, meine Zeit in Yerevan so gut wie möglich festzuhalten. Ich hoffe, dass es mir mit diesem Buch gelungen ist, einen persönlichen Eindruck von der Biennale zu vermitteln: eine Ausstellungseröffnung über der Stadt Yerevan, ein internationales Symposium mit spannenden Vorträgen von Künstlerkolleginnen und Künstlerkollegen, eine Reihe von Workshops, durch die es zu Begegnungen mit armenischen Künstlerinnen und Künstlern kam, sowie ein fachlich interessanter Besuch in der Buch- und Handschriftensammlung Matenataran.

Zeitplan für die Print Biennale 2023

Fr., 8. September Ankunft am Flughafen Yerevan um 3.30 Uhr
Fr., 8. September Eröffnungszeremonie im Charles-Aznavour-Center um 19 Uhr
Sa 9. September Juryarbeit zusammen mit Alexandra Stäheli, Sona Harutyunyan, Mehrdad Khataei und Mateusz Otręba
So 10. September Exkursion Garni-Tempel, Symphonie der Steine, Geghard-Kloster mit Sona Hovhannisian und Alexandra Stäheli
Mo 11. September Laudatio Grand Prix ­Ichirow Tsubaki Japan Schreiben und Preisverleihung um 19 Uhr
Di 12. September Symposium im Charles-Aznavour-Center von 10 bis 17 Uhr
Mi, 13. September Farbdruck für den Workshop von 10 bis 13 Uhr im Charles-Aznavour-Center und Symposium von 13 bis 16 Uhr, gefolgt von einem Besuch des Zentralarchivs für alte armenische Handschriften
Do 14. September Symposium 10 bis 13 Uhr und Workshop 17 bis 19 Uhr, abends 20 Uhr Treffen mit allen Symposiumsteilnehmern im Kulturzentrum der Mirzoyan-Bibliothek
Fr 15. September Besuch des Parajanov Museums 12 bis 15 Uhr, 17 bis 19 Uhr Workshop im Charles-Aznavour-Center
Sa 16. September Besuch der UWC Dilijan College International School über den Sedansee und 13 Uhr Vortrag »Der Weg zum Buchdruck« und Druckvorführung
Sa 16. September Grenzübertritt in Sadakhlo von Armenien nach Georgien um 21 Uhr
Fr 22. September Grenzübertritt von ­Georgien nach Armenien um 15 Uhr
Sa 23. September Besuch von Matenadaran und des Kaskadenkomplexes um 18 Uhr
So 24. September Rückflug nach Frankfurt über Wien um 4:45 Uhr

Prof. Frank-Joachim Grossmann